Talusnekrose und Talusfraktur: avaskuläre Nekrose des Talus und Osteochondrose
- Was ist eine Talusnekrose (Knochentod des Sprungbeins)?
- Ursachen der Talusnekrose
- Anatomie des Talus (Sprungbeins)
- Symptome der Talusnekrose
- Diagnose der Talusnekrose (Knochentod des Sprungbeins)
- Konservative Therapie der Talusnekrose (Knochentod des Sprungbeins)
- Operation der Talusnekrose (Knochentod des Sprungbeins)
Der Talus (Sprungbein) oder Astragalus ist ein Knochen, der sich als Gelenkpartner im oberen Sprunggelenk bewegt. Er bildet zusammen mit der Sprunggelenksgabel (Malleolengabel), die aus Tibia (Schienbein) und Fibula (Wadenbein) besteht, das obere Sprunggelenk. Bei einer avaskulären Nekrose des Talus (Talustod) wird der Knochen nicht mehr durchblutet und stirbt folglich ab.
Funktion und Anatomie des Talus

Gelenke des Talus
- Oberes Sprunggelenk
- talocalcaneares Gelenk (Unteres Sprunggelenk)
- talonaviculares Gelenk
Der Talus nimmt unter den Fußknochen eine Sonderstellung ein. Das Sprungbein besitzt keine Sehnen und keinen Muskelansatz. Alleine Bänder an den benachbarten Knochen fixieren es. Eine zusätzliche Durchblutung und Versorgung des Knochengewebes durch Sehnenansätze ist nicht vorhanden. Durch die besondere Anatomie sind zwei Drittel der Talusoberfläche mit Knorpel bedeckt.
Zwischen dem Taluskörper und dem Taluskopf liegt der Talushals. Er bildet als Dach des Sinus tarsi, eines Knochentunnels zwischen Calcaneus (Fersenbein) und Talus, die Eintrittsstelle für Blutgefäße in den Talus. Die Durchblutung wird überwiegend über dieses Gefäß sichergestellt.
Über dem Talus mit der aufliegenden Sprunggelenksgabel (Malleolengabel) entsteht das obere Sprunggelenk. Nach unten liegt der Talus auf dem Fersenbein (Calcaneus), mit dem er über das talocalcaneare Gelenk, dem hinteren Teil des unteren Sprunggelenks, verbunden ist. Nach vorne steht der Taluskopf mit dem Kahnbein (Os naviculare) in einer gelenkigen Verbindung. Hier sind drei Gelenkflächen an der Gelenkbildung beteiligt. Das Verständnis für diese Anatomie ist wichtig, um die konkreten Folgen einer Talusnekrose besser abschätzen zu können.

Der Krankheitsprozess bei der Talusnekrose
Verlauf der Talusnekrose
- Störung der Blutversorgung
- demineralisirung des Knochens
- Schmerzhafte Ödeme (Flüssigkeitseinlaferung)
- Einbrechen (Stressfraktur) des Talus
- Arthrose der Talusgelenke
Die Versorgung des Knochengewebes wird durch den Verlust der Blutversorgung stark gestört. Die Knochenzellen im Gewebe des Sprungbeins (Osteozyten) sterben bei einer Nekrose ab. Folglich erfüllen sie ihre Aufgabe, den Um-, Auf- und Abbau des Knochens nicht mehr. Die Konsistenz des Knochens im Sprungbein verändert sich im Verlauf der Talusnekrose deutlich. Am Ende der Krankheitsentwicklung steht ein Verlust der Knochenfestigkeit mit Verformung des Sprunggelenkes und damit des Fußes. Das am stärksten von der Talusnekrose betroffene Gelenk ist das obere Sprunggelenk.Die Verformung und Beeinträchtigung des Fußes und der Gelenkfunktion wirkt sich aber auf alle Gelenke im Fuß aus.

Ursachen der Talusnekrose
Ursachen der Talusnekrose
- Trauma, Fraktur
- Durchblutungsstörung ohne erkennbare Ursache
- Alkoholmissbrauch
- Chemotherapie
- Steroidbehandlung oder Steroiddoping
Viele mögliche Ursachen können eine Durchblutungsstörung des Talus auslösen: Traumen, wiederholte Überlastung (Mikrotraumen), aber auch verschiedene medikamentöse Therapien, wie zum Beispiel hochdosierte Steroidhormone. Auch toxische Einflüsse wie Alkohol oder Chemotherapie können das Gewebe schädigen und zum Verlust der Knochendurchblutung beitragen. Es ist im Einzelfall außerordentlich schwer, die genauen Ursachen der Talusnekrose zu identifizieren. Auch wenn Risikofaktoren bekannt sind, ist die individuelle Krankheitsentstehung der Talusnekrose bis heute auch noch nicht abschließend geklärt.
Traumatisch verursachte Talusnekrose: Durchblutungsstörung nach Fraktur
Durchblutungsstörungen des Talus können durch traumatische Einwirkung hervorgerufen werden. Daher ist die Talusfraktur (Bruch des Talus) eine der wichtigsten Ursachen der Talusnekrose. Der Talushals, an dem die Blutgefäße in den Talus (Sprungbein) eintreten, ist eine typische Bruchstelle, da der Knochen hier für Überlastung und Brüche besonders anfällig ist. Diese Situation ist für den Talus kritisch.
Biomechanisch ist das Sprungbein als Schlussstein des Fußlängsgewölbes an der Form des Fußes beteiligt und als Schaltknochen zwischen Unterschenkel und Fuß von entscheidender Bedeutung für das aufrechte Gehen. Bei den zentralen Talusfrakturen sind Talusnekrosen eine häufige Folge, da hier die Gefäßversorgung am stärksten beeinflusst wird.
Avaskuläre Talusnekrose: Durchblutungsstörung ohne bekannte Ursache
Neben der Schädigung des Knochens als Folge eines Unfalls kann die idiopathische avaskuläre Talusnekrose unabhängig von anderen Grunderkrankungen auftreten. Hier sind ausnahmslos Mädchen bis zum Ende der Pubertät von der schleichenden Schädigung des Sprungbeins betroffen. Die Ursache der avaskulären Nekrose bei Mädchen ist nicht bekannt. Bei einer avaskulären Nekrose wird der Knochen zunehmend weniger durchblutet (Ischämie). Dadurch stirbt das Knochengewebe ab und wird instabil. Die Folge der avaskulären Talusnekrose ist die mögliche Deformation oder gar Fraktur des Sprungbeins.
Sprunggelenksschmerzen und andere Symptome der Talusnekrose
Symptome der Talusnekrose
- Schmerzen im Sprunggelenk
- Schmerzen im Talus- Knochen
- Schmerzen im unteren Sprunggelenk z B. auf unebenem Boden
- Dumpfe oder stechende Schmerzen
Die Talusnekrose kann verschiedene Ursachen haben. Daher sind die Beschwerden sehr unterschiedlich ausgeprägt. Sie hängen vom Ausmaß des Schadens, der Gelenkbeteiligung und dem Verlauf ab. Nach einem Unfall ergibt sich also ein anderer Verlauf und andere Symptome als bei einer spontanen Nekrose:
- stechende oder dumpfe Schmerzen als Folge eines Knochenödems
- Schmerzen als Folge einer Arthrose eines der Talusgelenke
- Schmerzen als Folge einer Stressfraktur des nekrotischen Knochengewebes
Stechende Schmerzen als Folge eines Talusödems (Flüssigkeit im Sprungbein)
Schmerzen im Knochen können bei der Talusnekrose durch ein anfängliches Knochenödem entstehen. Bei einem Knochenödem dringt Flüssigkeit ins Innere des Knochens ein und reizt dort durch den entstehenden Druck die Schmerzfühler. Diese Schmerzen können sich als tiefliegender Druck, aber auch als stechender Schmerz bemerkbar machen. Die Belastung verstärkt solche Schmerzen anfänglich nicht. Die belastungsabhängigen Sprunggelenkbeschwerden resultieren dann aus der veränderten Belastbarkeit des erkrankten Knochen durch die Nekrose. Die Talusnekrose kann besonders wenn sie nur einen kleinen Teil des Talus betrifft, also zu Beginn der Krankheitsentwicklung, beschwerdefrei sein.

Diagnose der Talusnekrose
Bei der klinischen Untersuchung betrachtet der Spezialist Form und Funktion des Sprunggelenks. Er achtet auf Beweglichkeit, die Beinachse im Sprunggelenk und schmerzhafte Bewegungsblockaden (Sprunggelenksimpingement).
Nach der Inspektion (Blickdiagnose), Tastuntersuchung und Beweglichkeitsprüfung durch den Fußspezialisten sind bildgebende Verfahren wesentlich für die eindeutige Diagnose.
Nach der klinischen Untersuchung durch den Fußspezialisten sind bildgebende Verfahren wesentlich für die eindeutige Diagnose.
Bildgebende Verfahren zur Untersuchung der Talusnekrose
Die Röntgenuntersuchung zeigt bei einer Talusnekrose bereits charakteristische Änderungen durch Aufhellung des Knochens aufgrund der Demineralisierung.
Besonders hilfreich für die Untersuchung von Knochenveränderungen sind Schnittbildverfahren, die mit Röntgenstrahlung arbeiten. Neben CT und SPECT ist besonders die digitale Volumentomografie (DVT) des Sprunggelenks wertvoll, um die charakteristischen Veränderungen im Inneren des Sprungbeins darzustellen.

Die Knochenszintigrafie (sog. 3-Phasenszintigrafie) ist durch ihre verschiedenen Aufnahmezeiten ebenfalls hilfreich. Sie hilft, die Verteilung der Nekrose und auch die Risiken einer Frakturierung besser abschätzen zu können.

Nach einem Kollaps des Knochens unter dem Gelenkknorpel (subchondraler Knochen) kann nur das DVT (digitale Volumentomografie) die genaue Lage und Belastung der Knochenstrukturen darstellen. Das Röntgenbild als Überlagerungsbild ist ebenfalls eine gute Möglichkeit, die häufig aber – anders als die hochauflösende röntgenbasierte Schnittbilddiagnostik wie z. B. DVT oder CT – nicht die gesamte Situation der Strukturen darstellt. Daher ist es für eine Therapieentscheidung oft nicht ausreichend.
Komplexe Schmerzentstehung: diagnostische Injektion von Betäubungsmitteln
Teilweise entstehen die Schmerzen in den benachbarten Gelenken. Mithilfe einer Schmerzmittelinjektion können wir den genauen Ort der Schmerzentstehung ermitteln. Häufig lassen sich Sprunggelenkschmerzen auch durch eine Injektion betäuben und möglicherweise behandeln.
Diese Schmerzen werden dann, wie bei einer Sprunggelenkarthrose, durch Belastung ausgelöst. Sie verstärken sich meist bei Bewegung, können aber auch in Ruhe auftreten.
Ursächlich für die Sprunggelenkschmerzen können Stufen in der Gelenkfläche sein, die nach Unfall oder auch durch die Verformung des Talus entstehen können. Bewegungseinschränkungen sind bei der Talusnekrose entweder von Anfang an Folge einer Fraktur mit Gelenkschädigung oder Narben oder sie erfolgen, wenn die Nekrose den Knochen unter dem Gelenk befällt und damit eine Schädigung des Gelenkes vorliegt.

Konservative Therapie der Talusnekrose
Konservativ:
- Entlastung mit Unterarmgehstützen
- Entlastung mit Entlastungsschuh oder Schiene
- Physiotherapie
- Injektionstherapie mit Schmerzmitteln
- Knochenstimulation mit Ultraschall
- Medikamentöser Knochenaufbau (Biphosphonate)
Die Behandlung der Talusnekrose ist von vielen verschiedenen Faktoren abhängig. Da diese Erkrankung insgesamt selten ist und es wenige wissenschaftlich verlässliche Daten gibt, beschreiben wir unsere erfahrungsbasierte Behandlungsstrategie.
Die konkrete Behandlungsentscheidung ist abhängig von Stadium und Ausmaß der Talusnekrose:
Wir müssen zunächst durch eine eingehende Diagnose herausfinden, wie ausgeprägt die Nekrose ist. Ist sie lokal begrenzt (fokal) oder ist bereits der gesamte Talus vom Knochensterben betroffen?
Woher kommt der Schmerz? Der Schmerz kann in jedem einzelnen der zahlreichen Gelenke des Talus oder aber im Knochen selbst entstehen. Bei der Talusfehlstellung nach Fraktur mit einer Stufe im Gelenk ist die Situation therapeutisch anders zu bewerten als bei einer zwar guten Stellung, aber zunehmender Verformung des Talus.
Besteht bereits ein Kollaps? Ist der abgestorbene Knochen noch stabil oder bricht er schon zusammen? Muss eine Behandlung des Knochens chirurgisch erfolgen? Oder können wir durch Betäubungsspritzen in die Gelenke (unterhalb des Sprungbeins oder ins obere Sprunggelenk) den Schmerz noch erfolgreich therapieren?
Konservative Therapie der großvolumigen Talusnekrose
Bei einer großvolumigen Talusnekrose ohne Gelenkflächenbeteiligung und ohne Kollaps des Knochens ist möglicherweise eine spontane Wiederdurchblutung möglich. Der Knochen unter den Gelenkflächen sollte keine Frakturen erkennen lassen. Wir verschreiben eine Schiene zur Entlastung und spezielle Mobilitätshilfen (Scooter). Der Talus benötigt eine Ruhigstellung und eine Entlastung. Wir setzen zusätzlich einen Knochenstimulator, der mit Ultraschall arbeitet, ein: Mehrere Stellen am Knochen werden 20 Minuten täglich behandelt.
Eine Entlastung des Sprungbeins nach Fraktur oder bei Nekrose wird auch heute noch empfohlen. Jedoch ist die längerfristige Entlastung des betroffenen Fußes immer mehr umstritten. Die Entlastung fördert die Demineralisierung des Knochens. Wir empfehlen daher nach einer Talusfraktur fast immer eine schmerzadaptierte funktionelle Behandlung, um keinen entlastungsbedingten Knochenabbau zu provozieren. Bei der funktionellen Behandlung wird der Talusknochen teilbelastet und dadurch der Knochenstoffwechsel gefördert.
Weiterhin empfehlen wir Medikamente, die den Knochenaufbau fördern (Bisphosphonate), für mindestens 6 Monate. Diese wirken dem Knochenabbau entgegen, wodurch der Knochen beschleunigt wieder aufgebaut wird. So können wir trotz der Größe des Defektes häufig noch operative Maßnahmen vermeiden.
Operation der Talusnekrose
- Core-Dekompression (Anbohren)
- Osteosynthese (Knochenverpflanzung)
- Operative Stabilisierung nach Talusfraktur
Führen die Betäubungsspritzen in die Gelenke zu keiner Besserung der Sprunggelenkssscmerzen, ist die Schmerzentstehung im Inneren des Talusknochens gesichert. In diesem Fall muss eine operative Behandlung zur Therapie der Talusnekrose erfolgen.
Operation der begrenzten (fokalen) Talusnekrose
Eine Behandlung einer begrenzten (fokalen) Talusnekrose wird mittels Anbohrung des Talusknochens ("Core-Dekompression") durchgeführt. Zudem kann die Verpflanzung körpereigenen Knochens den durch Nekrose zerstörten Knochen therapieren. Häufig gewinnt man dazu etwas körpereigenes Knochengewebe aus dem leicht zugänglichen Beckenkamm des Patienten.

Operative Prävention der Talusnekrose nach einer Talusfraktur
Die Nekrose des Talus ist häufig Folge und Komplikation eines Knochenbruchs. Je nach Art der Talusfraktur liegt die Nekroserate zwischen 10% und 100 %. In 75 % der Fälle tritt nach einer Nekrose oder Fraktur eine Arthrose auf. Eine Verhinderung der Nekrose ist also wichtig, um die Gelenke des Talus zu retten. Bei Frakturen des Talus liegt die größte Chance zur Prävention der Talusnekrose oder des Sprungbeintodes in einer raschen Versorgung des gebrochenen Sprungbeins. Innerhalb der ersten 6 Stunden nach dem Unfall stehen die Chancen für eine komplikationsfreie Versorgung der Talusfraktur am besten. Hier kann die schonende Operation wichtig sein, um eine Talusnekrose zu vermeiden. Bei dieser Methode bringt der Operateur die Bruchfragmente des Talus wieder in die korrekte Position.
Die wesentliche Frage der Behandlung und damit der Nachbehandlung wird durch die Größe des abgestorbenen Knochenanteils bestimmt. Wir versuchen, unsere Patienten spätestens 16 Wochen nach der Frakturversorung wieder voll belasten zu lassen. Sind nur Teile des Talus nekrotisch, können diese nach 12 bis 24 Monaten spontan revaskularisieren, also die Neubildung von Blutgefäßen einsetzen. Bestehen nur teilweise nekrotische Talusabschnitte können diese nach 12 bis 24 Monaten auch spontan revaskularisieren: Revaskularisierung isr das Wiederherstellen der Durchblutung durch Wiedereinwachsen von Blutgefäßen in den Talus.
Kommt es durch die Schwächung der Tragefähigkeit und Stabilität des Knochens zu einem Zusammenbrechen – also einem Kollaps des nekrotischen Talus (Taluskollaps) –, ist eine Stabilisierung in einer guten Stellung mit Versteifung unter Einsatz von Ersatzknochen und Knochenspänen hilfreich und unumgänglich zur Verhinderung einer schweren Deformität des Fußes und einer Störung der Bewegungsabläufe beim Abrollen des Fußes.
Operation bei Knorpelschaden und Schädigung der Gelenkflächen
Nach einer deutlichen Beschädigung der Gelenkflächen des Talus kann häufig nur noch eine Versteifung (Arthrodese) der Talus-Gelenke helfen. Als Arthrodese des oberen Sprunggelenks wird das hier genauer beschrieben. Als Arthrodese des unteren Sprunggelenks wird das hier genauer beschrieben.